Montag, 3. Mai 2010

"Überschneidungen zwischen Antideutschen und Rechten"

Antifaschistischem Pfarrer wird unterstellt, er rufe zum Kreuzzug gegen Juden auf. Der will dagegen klagen. Gespräch mit Hans-Christoph Stoodt
Interview: Gitta Düperthal

Hans-Christoph Stoodt ist Pfarrer und einer der Sprecher der Anti-Nazi-Koordination in Frankfurt am Main

Die rechte »Bürgerbewegung Pax Europa« (BPE) ruft für den heutigen Dienstag in Frankfurt/Main zu einer Veranstaltung unter dem Titel »Zeit zum Handeln – Die iranische Bedrohung, Israel und Europa« auf. In die Debatte eingeschaltet haben sich die Organisatoren der Internetseite »Politically Incorrect« (PI). Was ist der Hintergrund und wie einflußreich sind diese Organisationen?
Veranstalter der Debatte sind die prozionistische Medieninitiative »Honestly Concerned« und die »Deutsch-Israelische Gesellschaft Frankfurt« (DIG). BPE, eine Organisation, die im islamophoben Gewässer badet, hat mit dazu aufgerufen. Diese selbsternannte Bürgerbewegung war ursprünglich von Udo Ulfkotte gegründet worden, der die Bewegung aber im Streit verlassen hat, weil er sie als zu rechts befindet - und den Organisationen Pro Köln und Pro Nordrhein-Westfalen zu nahestehend. Dabei ist Ulfkotte selber als Exponent der neuen Rechten und des Antiislam-Spektrums bekannt.

PI ist hingegen ein Internetblog mit hohen Zugriffsraten, der im wesentlichen anonym agiert. 2006 hat Stefan Herre das Selbstverständigungsorgan gegründet, in dem sich antiislamische Rassisten, Abendlandsverteidiger, Rechtskonservative, Deutschnationale usw. tummeln. Das Spektrum reicht bis hin zu neofaschistischen Positionen. Besonders aktiv bewirbt auch die Landesgeschäftsführerin von BPE, Pia Körner, die auf heute 19 Uhr angesetzte Veranstaltung im Bürgerzentrum Bockenheim. Sie arbeitet sowohl bei »Honestly Concerned« als auch bei der DIG mit.

Die Anti-Nazi-Koordination hatte auf ihrer Website über den Tenor der Veranstaltung informiert, woraufhin man Sie als »rotlackierten Nazipfarrer, der eine 150 köpfige Antifa-Schlägertruppe befehligt«, diffamiert hat. Stellen Sie Strafanzeige?
Das ist eine Beleidigung, und ich werde gegen PI klagen. Deren schlimmste Beleidigung: Ich hätte angeblich zum Kreuzzug gegen Juden aufgerufen und sei Antisemit. Ich möchte klarstellen: In der Anti-Nazi-Koordination, einem aktionsorientierten antifaschistischen Bündnis, wehren wir uns gegen alle Formen des Antisemitismus.

BPE und PI hatten vergangenen Samstag zu einer Demonstration in Berlin aufgerufen, um den niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders zu unterstützen. Der ist vor einem Amsterdamer Gericht angeklagt, Menschen muslimischen Glaubens beleidigt zu haben ...
Bei dieser Veranstaltung ging es im Grunde darum, die eigenen Truppen zu sichten. Wilders ist eine Galionsfigur für PI nahestehende Gruppierungen. Sie verehren ihn und verweisen auf seinen – wie ich finde – volksverhetzenden Anti-Koran-Film »Fitna«. An der Demo haben sich allerdings nur wenige beteiligt. Ebenso war es mit antiislamischen Versammlungen in Köln und Duisburg, stets gab es mehr Gegendemonstranten als Teilnehmer.

BPE und PI sind Befürworter des Afghanistan-Kriegs?
Sie interpretieren diesen Krieg als Kulturkrieg des christlichen Abendlandes gegen den »barbarischen« Osten. Sie befürworten den Bundeswehreinsatz und stehen damit gegen die Mehrheit der deutschen Bevölkerung.

Ist der Eindruck richtig, daß sogenannte Antideutsche, die sich selbst als links verstehen, ein ähnliches Vokabular verwenden wie diese neurechten Organisationen?
Es hat mehrfach Veranstaltungen antideutscher Gruppierungen gegeben, für die PI geworben hat – beispielsweise im Zusammenhang mit der angeblichen Bedrohung durch eine iranische Atombombe. Auch im Hetzartikel gegen mich wird mit einem Link auf eine antideutsche Seite »Kotzboy« verwiesen – da gibt es Überschneidungen.

Kürzlich hatten sich 100 israelische Aktivisten mit der Forderung an die Partei Die Linke gewandt, sich von der israelischen Besatzungspolitik zu distanzieren und für Menschenrechte der Palästinenser auszusprechen …
Es ist gut, daß sich viele linke Israelis zu Wort gemeldet haben. Denn in der Linken der Bundesrepublik und der gleichnamigen Partei gibt es eine lautstarke Minderheit, die die Besatzungspolitik Israels bejubelt. Durch diesen Brief wird deutlich, daß diese Leute sich keineswegs auf die israelische Linke berufen können. In diesem Punkt stehen leider diese »Linken« rechten und nationalistischen Positionen nahe.


Info: www.antinazi.wordpress.com

Quelle: http://www.jungewelt.de/2010/04-20/026.php

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